Behind the coconut tree

By Published On: 25 April, 2012Categories: Karibik, Karibik0 Comments on Behind the coconut tree

Dann und wann hören wir über Kurzwelle oder Internet vom deprimierenden Zustand der Nation in Spanien. Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit, Abbau des Sozialstaats, Hoffnungslosigkeit. Wahrscheinlich besser, gar nicht hin zu hören. Morgen wird’s noch schlechter. Und sogar Barça verliert.

Ein langer weisser Strand, türkisfarbiges Wasser, eine schiefe Palme. Fünfundzwanzig Grad Lufttemperatur. 20 Grad das Wasser. TUVALU schaukelt sanft in den Wellen. Gehen wir schon jetzt nach den Schildkröten tauchen oder doch erst etwas später?

Wir wissen, dass wir da mit unseren Bildern und Videos in unserem Blog eine Welt präsentieren, die auf härtester Art und Weise mit der Realität in Spanien kollidiert. Oder mit einem grauen, regnerischen Montagmorgen im Büro in Zürich. Wäre da nicht auch ein Leben ausserhalb der Zwänge von Arbeit und Überlebenskampf möglich? Ab in die Karibik wie die von der TUVALU und ein Jahr lang nur Sommer, Rum Punch und Nichtstun?

Sind wir uns ehrlich. Eigentlich sind diese fantastischen Bilder eine Beleidigung an die Intelligenz. Das Paradies ist nicht auf Erden, wie wir alle bestens wissen. Und doch erliegen wir diesen Bildern entgegen jeglicher Vernunft. Der Traum wird stärker, und man beginnt die Yacht nachzurüsten, die Wohnung zu kündigen und schon befindet man sich mitten auf dem Atlantik. So ging es auch uns, als wir vor Jahren die Blogs und Bücher von Bernard Moitessier, Heide Witt, Bobby Schenk und allen den anderen gelesen haben. Die Bilder mit den Palmen aus Cocos Island, Mopion oder Tuvalu waren einfach zu mächtig.

Oder man bleibt trotzdem vernünftig. Bleibt in Zürich oder Barcelona. Trotz Regen und Sozialabbau. Man stellt sich den Dingen. Und entlarvt den Traum als das was er ist. Eine platonische Liebe zu einer perfekten, friedvollen, ungestörten Welt. So bleibt der Traum was er ist. Perfekt, ungestört, ideal und Nacht für Nacht wiederholbar. Unzerstörbar. Denn insgeheim wissen wir, dass eine Reise nie so ausfällt wie wir uns das vorgestellt haben. Das Bild der schiefen Palme am Sandstrand wird uns kaum ein Jahr lang ununterbrochenes Glücksgefühl vermitteln.

Wir hingegen sitzen nun also andächtig vor der schiefen Palme und staunen. Doch schon kurz darauf zwickt mir ein Sandfloh in den linken Fuss. Mir fällt ein, dass wir kein Benzin mehr im Aussenborder haben und gegen den Wind zurückrudern müssen. Ich bemerke ein leichtes Ziehen im Kopf, doch wohl doch zu viel Rum Punch gestern Abend. Ein weiteres Dinghi fährt direkt vor unsere Palme, laut lachend steigen sie aus. Eine Wolke schiebt sich vor die Sonne.

Das schöne Bild der Palmen ist es verschmutzt. Vergänglich und allzu flüchtig. Die Perfektion ist nur möglich im Reiseprospekt, im Blog, in Filmen wie Deep Blue, im Theater. Also gereinigte Bilder; realitätsfremd, optimiert, perfektioniert. Nur dieser Prozess der Vereinfachung, Verkürzung, der Zentrierung auf das Wesentliche erlaubt die künstlerische Darstellung. Das Paradies befindet sich in der Interaktion zwischen unserem Kopf und dem idealisierten Bild. Es liegt definitiv nicht in der Karibik.

Nicht dass dies ein neues Phänomen wäre. James Cook hatte auf seinen drei berühmten Reisen in die Südsee und um die Welt stets einen Kunstmaler dabei: Sidney Parkinson, William Hodges und schliesslich John Webber (eigentlich Hans Weber, aus Bern stammend). Ihre Aufgabe war die Reiseerlebnisse bildnerisch festzuhalten. Während den Reisen entstanden so tausende von Skizzen. Doch die meisten ausgearbeiteten Bilder wurden erst nach Abschluss der Reise im Atelier in London erarbeitet. In einem langwierigen Optimierungsprozess mit mehreren Überarbeitungsphasen entstanden so die Blogs des 18. Jahrhunderts. Aufgabe der Maler war, die durch die Kunstkommission der Royal Acedemy of London repräsentierten vagen Vorstellungen der Südsee der noblen englischen Gesellschaft mit den tatsächlichen Verhältnissen während der Cook’schen Reisen zu verbinden. Weit gefehlt würde man da eine wissenschaftliche Detailtreue erwarten. Geschweige denn künstlerische Freiheit. Der edle Wilde im perfekten Paradies war geboren. In einem düsteren Kunstatelier in London.

Dass die so während einem bitterkalten November 1776 in der Royal Acedemy of London ausgestellten optimierten, gereinigten Bilder einen durchschlagenden Erfolg hatten ist gut vorstellbar. Und dass sie bis heute unsere Sehnsüchte nach der Ferne beeinflussen, ebenso.

 

 

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